Für Experten

Alle Menschen haben ein Recht auf ein Leben, in dem sie ihr Leben im Rahmen ihrer Möglichkeiten selbst gestalten.

Wir Berufstätigen haben schon lange die Vorstellung: ‘Wir wissen, was gut für die Menschen ist’. Diese Haltung förderte eher die Abhängigkeit der Menschen als ihre Selbstbestimmung.

Um dem Grundrecht, das eigene Leben zu gestalten, Substanz zu verleihen, bedarf es einer anderen Haltung des Betreuers.

Das Ziel, die Selbstbestimmung innerhalb der Möglichkeiten in der Vision zu benennen, ist das eine. Will man sie tatsächlich in der täglichen Praxis anwenden, ist ein Veränderungsprozess in der gesamten Organisation erforderlich. Nicht nur für die direkten Helfer, sondern auch für das Management- und Finanzierungssystem.

Strukturen, die seit Jahren einem festen Muster folgen, werden sich verändern, weil der Ausgangspunkt der Kunde und nicht die Organisation ist.

Eine Situation aus einer Pflegeeinrichtung für ältere Menschen

In einer Pflegeeinrichtung werden alle Mahlzeiten durch die zentrale Großküche geliefert. Frau Meier, eine in dieser Einrichtung lebende ältere Frau, hat jahrzehntelang ihr eigenes Essen und das ihrer Familie zubereitet. Sie ist eine Expertin in der Zubereitung von Tomatensuppen, will diese Suppe gerne selbst kochen und sagt dies auch dem Pflegepersonal der Einrichtung.

Die Mitarbeiter wollen nicht, dass Frau Meier ihre Suppe selber kocht und erwidern: ”Wir haben einen sehr guten Koch und der kocht eine hervorragende Tomatensuppe. Frau Meier, Sie haben sich ihre Ruhe wohl verdient, lassen sie sich doch einfach durch uns verwöhnen.”

Frau Meier ist mit dieser Erklärung eigentlich nicht einverstanden, dennoch äußert sie: ”Gut, soll der Koch die Suppe machen.”

Frau Meier fühlt sich überbehütet. Als die Tomatensuppe serviert wird, beginnt sie einen Streit mit den Betreuern und anderen Betreuten. Sie hat – in Folge ihrer Unzufriedenheit – ihren eigenen Weg gefunden um die Betreuer arbeiten zu lassen. Frau Meier lässt provokant jedes Mal das Besteck fallen und ruft dann die Betreuer. Die Betreuer sehen mittlerweile in Frau Meier eine schwierige Bewohnerin und es gibt auch in anderen Situationen oft Streitereien.

Durch den unumstößlichen Grundsatz in dieser Einrichtung “bei uns wird das Essen durch den Koch hergestellt”, wird Frau Meier nicht ernst genommen.

Die gleiche Situation könnte auch anders gelöst werden. Würden die Mitarbeiter Frau Meier ermöglichen, die Suppe selbst zu kochen, würde sie Verantwortung übernehmen und für ihre Fähigkeiten Lob und Anerkennung durch andere erfahren können. Die Mitarbeiter achten ihrerseits durch das Setzen eines Rahmens darauf, dass weder Überbehütung noch Überforderung eintritt.

Das Beispiel verdeutlicht wie schnell Menschen in abhängigen Situationen die Regie über ihr eigenes Leben verlieren können. Dieses beginnt in den kleinen Dingen des Lebens. Den Mitarbeitern ist dieser Prozess oft nicht bewusst – die Entscheidungsmöglichkeiten der abhängigen Person werden schnell eingeschränkt, ohne dies eigentlich zu wollen.

Durch Einsatz des WKS-Modells kann eine ganz andere Atmosphäre – ohne Streit – mit Beteiligung und gegenseitiger Unterstützung der dort lebenden Menschen entstehen. Die Ressourcen der Gruppe werden im Sinne einer größtmöglichen Selbstbestimmung genutzt.

Die Methode nach Willem Kleine Schaars (WKS)
Nina Ueckert wohnt in einem Apartmenthaus der Lebenshilfe Kreis Viersen e.V. und wird auch ambulant von ihr betreut. Sie erklärt, wie die Methode nach ‘Willem Kleine Schaars’ (kurz WKS) die Betreuung in den letzten Jahren revolutioniert hat.

Willem Kleine Schaars